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4 april 1867

van

Multatuli

aan

Heinrich Ludwig Flemmich (bio)

 

Volledige Werken. Deel 12. Brieven en dokumenten uit de jaren 1867-1868 (1979)

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*4 en 5 april 1867

Brief van Multatuli aan H.L. Flemmich. (Nederlandsch Museum 19, 1894, blz. 257-268)

In verschillende opzichten - hoofdletters, umlaut-tekens, naamvalsvormen - is het Duits van Multatuli niet altijd correct. Bij zijn publikatie in 1894 heeft Pée dit al geconstateerd, maar de teksten diplomatisch afgedrukt. Daar de authentieke brieven niet zijn teruggevonden, is uiteraard de tekst uit 1894 opnieuw nauwkeurig gevolgd.

Odeurs de Paris: geschrift van de ultramont aan Louis Veuillot (geb. 1813) met o.a. felle uitvallen tegen Victor Hugo, Voltaire en Heine.

Leb...: Lebak; in de eerste uitgaven van de Havelaar heeft Van Lennep de plaatsnamen en de data grotendeels door stippeltjes vervangen.

gegil: zie het ‘eerste sprookje’ uit de Minnebrieven; V.W. II, blz. 103. vod: zie V.W. IV, blz. 97.

Tannengrün: een in 1858 verschenen bundeltje gedichten van H.L. Flemmich.

Cöln 4 april 67. abends.

Lieber Herr Flemmich, Heute früh empfing ich die zwei Paketen, und nachmittags Ihren Brief. Ich bin ein Bischen unwohl (styve nek, und was dazu gehört) und möchte gern daran Schuld geben wenn ich nicht weis wie ich für Alles meinen Dank aussprechen soll. Doch das würde nur halbwahr sein, denn die Krankheit ist so schlimm nicht, schon beinahe ganz vorüber, und doch kann ich's nicht sagen wie ich Ihre Herzlichkeit fühle. Und die Zeilen Ihrer Frau! Ich bin gar nicht Puritanisch - In meinen Ideën werden Sie finden: Men meent dat ik opsta tegen alles... och, als men wist hoeveel ik voor heilig houd! Dazu gehört wahr sein. Nicht das plumpe Quäkerische Wahrheit sagen, das zu sündigen meint durch ‘niet t'huis’, wenn man ein Besuch abwehren will, oder durch ein conventionelles ‘Dienstvaardige Dienaar’ als Unterschrift eines Briefes an Jemand dessen Diener man um Alles in der Welt nicht sein möchte, doch das wahr sein, als Geschenk der Freundschaft. Ich würde Ihre Herzlichkeit nicht haben tragen können, ohne dafür das einzige zurückzugeben, was ich zu geben hatte: Aufrichtigkeit, so weit es einem Menschen gegeben ist! Denn: niets is geheel waar. Um gut in allen Nuancen zu erklären was ich Ihrer Frau sagte, würde ich Jahre Zeit, und eine neue Sprache nöthig haben. Man erzählt keinen langen, Inhaltsschweren Roman in einer Stunde! Doch verstand sie gut und schnell. Ich fühlte das. Und auch Ihnen wird das leichter fallen, wenn Sie sich durch Havelaar u.s.w. werden durchgearbeitet haben. Darin werden Sie so vielen Fehler finden, dass auch die grössten Ihnen ganz natürlich scheinen werden. Sie werden sehen oder ahnen vielmehr dass mein Leben sehr voll ist, dass ich lang und viel getragen habe, und entlich Sie werden den Fehler nicht machen des Garnisonssoldaten der sich wundert über die zerrissenen Kleider seines aus dem Schlachte heimkehrenden Kameraden.

Fehler? O ja... ohne Zahl! In der Sache aber woran ich jetzt denke, habe ich gut gethan. Ich könnte nicht anders ohne Feigheit. Doch davon nicht mehr für heute.

5 April.

Als ich gestern Abend das kleine Zettelchen nach der Eisenbahn gebragt hatte, war meine Absicht lang und viel zu schreiben. Habe 's aber nicht gethan. Mein styve nek ist mir in Schulter und Brust gezogen. War 's darum dass ich nicht schreiben könnte? Ich weis nicht. Ich war verstimmt.

Als ich Sonntag abreiste war ich einigen Augenblicke ganz betäubt. Ich hatte in Antwerpen so viel empfunden! Der Herr der mit mir im Coupé sass bot mir Cigarren an, obschon er sah dass ich welche hatte. Er meinte seine Cigarren waren so ausgezeichnet gut, und darin hatte er Recht. Warum aber so freundlich? Weil Sie ihm über mich gesprochen hatten. Also folgte mir noch auf der Reise Ihre herzliche Fideliteit. Wie Gensd'armen ihren Gefangenen von Station zu Station überzugeben gewohn sind, hatten Sie mir dem Dr Semal übergegeben. Er war sehr liebenswürdig, und hat Ihrer Empfehlung Ehre gemacht. Doch fühlte ich das Bedürfniss allein zu sein. Später, nachdem Dr S. mich verlassen hatte kamen zwei Herren in meinem Coupé die über Veuillot's ‘Odeurs de Paris’ sprachen. ‘Cela pue’ sagte der eine der aussah wie ein Artiste doch (oder und) Mitglied der ersten Kammer war. ‘Cela pue... impossible de lire ce livre jusqu'à la fin... cet amalgame de sainteté et de salopperie m'a dégouté.’ &c. &c. Ich hatte von Veuillot's Buch viel gehört. De Geyter hatte es mir mitgegeben, und ich will es lesen. Wahrscheinlich wird es mir nicht degoutiren, denn (wie ich meine kleine Nonni habe sagen hören): ‘er is geen vuil’. Wenn Veuillot über alledem was es in Paris ekelhaftes gibt, die Wahrheit sagt, hat er Recht dazu, und es ist unmöglich über Koth zu sprechen ohne Koth zu berühren. Ich dachte an Kappelman der seinem Sohn lehrte nie etwas unsauberes... zu nennen. Der Artiste-Senateur sah mir nicht aus als Jemand der so fürchterlich prude und Mädchenhaft sein würde, so bald es etwas zu sehen und zu thun geben würde. Nur das gedruckte Wort ärgerte ihm. Bei vielen scheint Anstand zu Typographie zu gehören. Die Schriftstellerei hat viel Boses gethan. Sie hat zweierlei Moral erfunden, nein, eine dritte Moral eingeführt. So thut man, war 's erste. So spricht man, das zweite. Und... so schreibt man, das hässliche dritte.

Nun, ich bitte mir nur ein Criterium aus, dieses: dass ich immer that wie ich sagte und schrieb. Was man übrigens darüber urtheilt, ist mir gleichgültig. Und darum wünschte ich dass Sie und Ihre Gattin so schnell möglich gelesen hätten was ich schrieb. O denn ist die Frage nicht ob Sie alles beistimmen? Das kann nicht. Die Frage ist nur ob Sie mich und meine Bücher für wahr halten, das heist ob Sie glauben dass ich so wahr sein will wie es mir möglich ist? Weiter beanspruche ich nichts. ‘Agis comme tu penses.’ Einen höheren Richter als unsere Meinung gibt es nicht. Das ist die einzige Moral. Was man gewöhnlich Moral nennt ist eigentlich nur Ordnung. Moral würde man mit sich führen, auch da wo geselschaftliche Ordnung aufhört, in Steppen, Prairien. Ordnung ist nöthig, und gehört zur Moral, wie lesen und schreiben zur Bildung. Lesen und schreiben allein ist darum noch keine Bildung - im Gegentheil!

Doch nicht daruber wollte ich Ihnen schreiben. Ich wolle Sie bitten dass Sie beim lesen des Havelaar beachten dass ich nicht wusste wie populär das Buch werden sollte. Wer daran nicht denkt, muss es lächerlich finden dass ich soviel und so von mir spreche. Ich meinte als dritte Person (Mult.) sagen zu können, was ich nicht würde gesagt haben als erste. Später habe ich eingesehn dass mein Hochmuth naif war.

Leb... heisst Lebak. (Unterprovinz).
B... heisst Bantam. (provinz).
P...K... heisst Parang-Kudjang (Kreis in Lebak).
B... heisst Saïdjah's dorf Badur in Parang-Kudjang.

T. oder T.K. Tjilang-Kahan, dorf an der Seeküste, wo Saïdjah verbotenes Salz machte mit seinem Vater, (Salz ist Monopol) und von wo er später nach dem Lampongschen Provinzen segelte.

Raden: ein Javaniser Adelstitel.

Adhipatti: ein höher idm.

pajong - Sonnenschirm als distinctiv von Geburt oder des Ranges. pelitah: ein kleines Lämpchen.

lalayang: cerf-volant. (holl: vlieger) Hierin ist die Javanische Dorfsjugend sehr geübt.

Sie wissen ihre lalayangs in der luft hin und her gehen zu lassen und schneiden einander den Faden ab. Es ist ein beliebtes Spiel von Dorf gegen Dorf, als cricket in Engeland. Saidjah hatte gegen Adindah gezürnt weil er meinte dass durch ihre Schuld eine interessante Partie, wobei die Ehre des Dorfes im Spiel war, verloren gegangen war. Vielleicht war der kleine Djamin Schuld daran, der geworfen hatte mit ein Stückchen Glas. (Das thun sie sehr geschickt).

Batik Sarong Kapala

Sarong = unterkleid, Rock ohne genähten Falten.

Die Falten sind wie es fällt, und dadurch schöner und malerischer als die Europäischer weise absichtlich gemachten plis. Batik ist das aus der Hand malen von eigenthümliche Dessins. Das thun die Frauen und Mädchen. In den Dessins ist Bedeutung, Seele, Herz. Die Dessins werden in Europäische Fabriken nachgedruckt, und sehr billig in Java verkauft, doch stehen in Werth gegen die ächte als Druck gegen Manuscript. Nur arme Leute tragen gedruckte Sarongs. Das Dessin sagt nichts, spricht nicht. In der Ächter hat die Farbe, jede Linie seine Bedeutung. Kapala = Haupt, Kopf, ist - sehen Sie hier



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a und b wird zusammen genäht, doch nicht immer. Bisweilen trägt man den Sarong ungenäht, und denn heist es slendang.

Wenn eine Adinda für ihren Saïdjah batikt, weis er was jede Linie, jedes Pünktchen bedeutet. a könnte z.b. die Menge ihrer thränen sein. Die Linie b etwas als Schwung der Hoffnung, u.s.w. Doch Sie begreifen, dass mein Muster gar keinen Werth hat. Es ist nur dass Sie sich vorstellen, was es sein kann. Die hässlichste Dessins sind oft die Werthvollste für den, der sie versteht.

(Nota. Seit 2½ Jahrhundert sind Europäer da, und bis jetzt hat niemand auf diese javanische Poesie Acht gegeben. Man suchte nur Pfeffer, Kaffe und Zucker!

verwschuitje. Ein Wort das ich machte. Es ist das... Töpfchen womit die Batikerinnen ihre Dessins zeichnen.

Darin ist die Farbe. Ungefahr so:



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4, 6 mahl grösser. Vier, sechs dergleichen Töpfchen stehen neben der Arbeiterin, und jede enthält eine andere Farbe. Das Leinwand (selbst gesponnen, und aus der Hand gewebtes Baumwoll, Kattun) ist gespannt auf ein chevalet. (holl. ezel)

Etwas eigenthümliches ist das nach den Indischen Schönheitsbegriffe nie eine Zeichnung etwas bestimmtes vorstellen soll. Keine Blume, kein Bild, kein Haus, nichts als... Alles. d.h.: phantaisie, nur verständlich für wer es weis:

‘Adinda teekende droefheid op haar weefsel, want zy had Saïdjah treurig gezien.’

Das war ihr Geheimniss, und dazu ein Beweis dass sie nicht mehr Kind war.

Pontianak. Ein Spuk, das in Bäume sich aufhällt und den Mannern kein Leid thut, doch nur Frauen neckt und plagt, besonders schwangere Frauen. Daher ‘de inkerving in den boom om den Pontianak te bezweren die schuld had aan de tandpyn eener vrouw kort voor de geboorte van haar kind.’ Saïdjah erinnerte sich das, und fand an dem Zeichen den Baum wieder.

Der ganze Saïdjah ist sehr correct, weil ich alles was er sagt und thut, und was ihm wiederfahrt in's Malaiisch gedacht habe. Auf einen Fehler hat mir Prof. Veth in Leiden aufmerksam gemacht. Wo ich erzähle das ihm sein Büffel das Leben rettet sage ich: ‘wat indedaad geschied is.’ Als wie alles andere gelogen war. Wahr ist es aber das ein kleiner Knabe auf die erzählte Weise durch seinen Kerbo (Büffel) vertheitigt und gerettet ist.

Was übrigens die Wahrheit der ganze Geschichte von Saïdjah angeht, darüber verantworte ich mich in den Havelaar selbst, wo ich frage ob die schöne Parabel des verlorenen Sohnes wahr ist? Und Uncle Tom's cabin?

In den Minnebrieven werden Sie weitere Beweise finden. Doch ich brauche keine Beweise mehr da alles jetzt anerkannt ist. Meiner erwähnt man aber dabei nicht.

Wahrscheinlich kommen in den Havelaar mehr Indiismen vor, doch ich habe das Buch nicht. Notiren Sie gefälligst was Sie wissen wollen. Es wird mir eine wahre Freude sein Ihnen darüber zu sagen was ich weis.

aloon-aloon. Grosser freier Platz vor einer Javanischer Regenten Wohnung.

kris. Javanischer Dolch, oft vergiftet. Ist nicht so sehr ein Waffen als zur Schmuck gehörig. Es gehört zur Kleidung. Darin is viel Luxus. Der Griff von:

kamuning. Eine sehr schöne Wurzelholzsort, besonders für Krisgriffe geeignet. Die Javanesen poliren es sehr schön, und schneiden darin allerlei phantastische Figuren.

Der Kris selbst ist gewöhnlich schlangenformig



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die scheide



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(‘en ook aan de punt was een plaatje zilver’)

pusakka. Erbschaft. Doch gewöhnlich heilige Erbschaft, die man nicht ohne impietät veräussern darf. Der Kris den Saidjah's Vater an einem Chinesen zu verkaufen genöthigt war, war pusakka.

klambu. Gardine einer Betstelle, oder (im Japanischen Steinhauer) eines Baldachin's.

pendieng. Gurtel von Metallener Plättchen.

ikat-pendieng. Das Schloss, die Agrafe, die Broche davon. Bei wohlhabenden Leute ist dieser Ikat von Gold, und oft mit Diamanten besetzt.

tudung (toedoeng). Hut, gross, flach, leicht, von Stroh geflochten. Das façon so einfach möglich. Ein grosser Schüssel, nicht sehr hohl, mit nur einen kleinen cirkelförmige Rand in der Mitte, die auf dem Kopf passt.

B...K... Bantam Kidul, d.h. Süd-Bantam = Lebak.

(Das die Ortsnahmen nur mit Buchstaben gedrückt sind, ist meine Schuld nicht.)

In Antwerpen fragte mir Jemand (der glaube ich, dafür aus Holland gekommen war) ob ich wirklich die Häuptlinge meiner Provinz so angeredet habe, als im Havelaar zu lesen steht? Ich glaube ja! Es muss so gewesen sein, denn ich fühlte so. Und was die Ausdrückungsweise angeht (es soll so ‘mooi’ sein) das ist ganz einfach Malaiisch. Das werden sie überal finden wo ich etwas aus meinen Indischen Erinnerungen in's Hollandische ubersetze. In's Malaïsche würde man es nicht anders sagen können. Auf diese Weise bin ich also zu wohlfeil an meinen Ruf von ‘mooiheid’ gekommen. In meinen Ideen sage ich es oft dass das ganze Geheimniss der Schriftstellerei darin liegt dass mann sich nicht zum Schriftsteller mache. Wer sich bestrebt wahr zu sein schreibt gut. Wer schön schreiben will, schreibt hässlich.

Jetzt finde ich selbst meine Anrede an den Lebakschen Haüptlinge schön - und ich kann es sagen weil ich sie nicht machte. Wer hätte in den Umstände die ich da erzähle, anders sprechen können. Ist nicht der ganze Havelaar wie das gegil der Mutter die ihr Kind in's Wasser sah? Und begreifen Sie warum ich kein Schriftsteller sein kann? Und wie es mir ekelt wenn man meint das ich's bin?

Die Braut von oben! So! Wollen Sie es spielen lassen? Dazu ist es gut genug, - doch hie und da muss die Scheere hineingesetzt, ohne Mitleid. Es gibt der Phrasen zu viele darin, und das ganze ist schrecklich ordinär. Es ist von 43, und ich war damals mehr unter den Eindruck von was ich gelesen hatte, als von meinen Erlebnisse. Ich wusste damals das einfachste noch nicht: dass alles geschehene unendlich interessanter ist als das geschriebene. Ich hatte um mich, in mich sehen sollen um Drama's zu suchen. Doch ist etwas von mir darin, - doch nur wenig. Und das wenige habe ich noch falsch verschriftstellert. Ich liebte. Gut doch ordinär. Ich meinte unglücklich zu sein. Auch gut doch auch ordinär. Ich meinte ein Martyrer zu sein. Allerordinärst, und nicht einmal wahr. (Sie finden davon etwas im Havelaar) Kurz und gut, das Ding ist ein Muster wie man nicht schreiben soll.

Die Holländer sind böse, weil ich es jetzt, nachdem sie es beklatscht haben, ein ‘vod’ genannt habe. (Een en ander, pag. 82). Haben Sie das? Und die ‘Herdrukken?’ Ich bin gewiss das Sie sich damit amusiren werden. Doch erst Havelaar und Minnebrieven.

In den Ideen ist viel lokales und auch viel was sich nicht so sehr zum Vorlesen eignet, z.b. die kurze Sprüche. Ich hoffe dass Sie daraus Anleitung finden zur Besprechung.

Da ich hohen Werth darauf stelle bei Ihnen zu sein mit meinen Gedanken bitte ich mir fortwährend zu schreiben wie weit Sie gefordert sind. Ich sehne mich danach dass Sie die Minnebrieven und die Ideen lesen. Vielleicht weil ich aus Havelaar viel vergessen habe. Ach, es sollen doch auch Ideen darin stehen, und dan ist es mir eins. Hat Ihre Frau gelacht über Droogstoppels Predigt an Fritz? Ist das schnelle wechslen von Ton und Styl nicht ermüdend? Im Anfange verstand man nichts davon in Holland. Man meinte ich sei der Kaffemakler. In einer Zeitung protestirt man. Wogegen, meinen Sie? Ein Kaffemakler behauptete das Buch war nichts werth ‘want een fatsoenlyk makelaar woonde in een fatsoenlyker buurt dan de lauriergracht’. Ach, du lieber Gott, wahr ist es, aber ich wusste damals noch so wenig von fatsoen. Jetzt weis ich 's. Das werden Sie sehen in myn Een en ander, wo ich das Holländische ‘fatsoen’ mit einem gemeinen Matrosenfluch erwidre.

Ja, ich möchte so gern Ihre Frau lachen sehen bei Droogstoppels Analyse von Heine! Doch hat Dr. bisweilen recht, und der Philister kann nicht grausamer poetische Blumen zertreten als es sehr oft der Dichter selbst thut. Les extrêmes se touchent. Kühle, dumme, falsch-realistische Herabsetzung im Munde des Spiesbürgers ist sehr oft in Einklang mit der sarkastischen Unzufriedenheit des Poeten. Droogstoppel zieht das höhe nach unten. Heine sah das höhe unter zich. Beiden nannten es niedrig, das is ganz einfach.

Ich weiss dass mein Deutsch schändlich schlecht ist. Ich kann es wohl ein Bischen besser, doch dann würde ich Acht geben müssen, und langsam schreiben. Das würde zu langweilig sein.

Mein guter, lieber Wolfgang! Das gute Kind! Ich freue mich so dass er das Leben so glücklich durchgehen wird, denn das steht auf sein Gesichtchen. Er ist gutmüthig und zufrieden. Er hat, glaube ich recht gethan dass er in der Welt gekommen ist. Es gibt Kinder (und Menschen!) den man es anseht dass sie aus Irrthum Platz nahmen. Für Ihnen ist es ein grosser Schatz, dass die liebe Natur ganz allein die Erziehung besorgen wird. Ich denke dass Sie nichts zu thun haben als nie absichtlich etwas unwahres zu lehren. Das ist eine leichte Aufgabe. Ja, das wird Alles sein, was Eltern zu thun haben. Doch scheint es bisweilen schwer zu fallen.

Ihre Cigarren sind vorzüglich. Ich habe 9 davon geraucht, weil ich werth darauf stelle haushälterisch damit umzugehen.

5 April abends.

Noch habe ich Ihre Gedichte nicht. Warum sind Sie so modest? Ist es um mich zu beschämen? Meinen Sie wirklich dass Ihre Arbeit keinen Werth hat? Ich kann es nicht glauben. Die arme, allein durch 's Unglück nicht vergessene Tanne hat mich gerührt. Was können Sie mehr wollen? Dass die Mythologie Ihrer Jugend noch immer eine Rolle spielt, ist natürlich. Das würden Sie auch finden in meinen früheren Versuchen. Es ist nicht die höchste Poesie, das weis ich wohl. Diese bedarf keiner Unwahrheit, sey es auch die falsch-religiöse, das vermeint-erhabene Doch so lange man glaubte, war Gott, und was dazu gehört, wahr, und poetisch brauchbar. Sonnst könnten Homerus, Virgilius, Tasso, und die Profeten des alten Testaments keine Dichter gewesen sein. Schade dass später so vielen gemeint haben man könnte nicht Dichter sein ohne Olymp, ohne Parnas, ohne Pegasus. Wie gewöhnlich hat man Mittel für Zweck genommen, und weil Propheten sich begeisterten durch den Gedanken an Ihren Jehovah, meinte man dass es zur begeisterung des Lesers oder der Zuhörer nöthig war immer den armen Jehovah hinein zu schleppen. So begreifen vielen keine Liebe ohne Rose, Thau, Himmel. Ach! Immer Lerchen, Nachtigallen u.s.w.

Dem Poeten solle jede Stein etwas zurufen, und ihm soll Alles schön sein auch das conventionell-hässliche. ‘Wie in de Waarheid geen poesie vindt, zal steeds een sober poeetje blyven daarbuiten!’ Ein bekanntes Steinchen ist uns mehr, gibt besseren Stoff zur dramatischen Behandlung als ein unbekannter Gott. O, o, Poesie ist eins mit Philosophie. Fühlen, wissen, begreifen, 's ist alles eins. Doch werden Sie - Ach du lieber Gott, ich bin pedant. Das kommt von der Schriftstellerei. Vergessen Sie nicht mir ihr Tannengrün zu schicken.

Ich habe in Antwerpen so unendlich viel Herzlichkeit empfangen, dass es mir wirklich Leid thun würde, wenn dadurch - ich weis nicht wie ich es sagen soll. Um mich kam vieles zusammen, was nicht zusammen gehörte und ich fürchte dass daraus Streit entstehen wird, oder schon entstanden ist. Dieser Gedanken wird mir schwer auf's Herz liegen, wenn ich wiederkomme. Und wie wenig Zeit wird mir gelassen werden für Ihre freundliche Wohnung.

Doch will ich mir dazu Freiheit bedingen, denn die Gespräche mit Ihre liebenswürdige Frau wirkten wohlthätig auf mein Gemüth. Auf mein Gemüth das verstimmt ist. Seit Monate hör ich nur einen Ton.

‘Zerschmelze doch dies al zu feste Fleisch’ und was folgt im Hamlet. Ich habe vieles und schweres zu thun, und brauche tagtäglich meine Kraft für ordinärste -

Ja, ich habe vieles zu thun, und darum Adieu für heute. Das war falsch, denn was ich zu thun habe ist anderer Art: Man wartet in Indie! Mit oder ohne mich wird Insulinde bald reif sein. Und ich glaube das Recht zu haben dabei zu sein.-

Adieu, lieber, guter Freund. Glaube doch das ich für Alles herzlicher danke als ich es sagen kann. Ihr

Max.

Morgen schreibe ich Ihrer lieben Frau. Ich hätte es gleich thun wollen, doch dan wird's zu spät.